Dunkle Materie in der Milchstraße?: Unterschied zwischen den Versionen

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* stat. Datenauswertung
 
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'''WICHTIG: Vor der Buchung dieses Versuchs sollte unbedingt eine Terminabsprache per Mail erfolgen (zinn@astro.rub.de), da die Milchstraße zum gewünschten Termin schließlich auch hoch am Himmel stehen muss.'''
  
 
== Einleitung ==
 
== Einleitung ==
Seit dem Wintersemester 2008/2009 verfügt das Astronomische Institut der Ruhr-Universität Bochum über ein voll funktionsfähiges Radioteleskop, das speziell auf den Praktikumsbetrieb ausgerichtet ist. Das Radioteleskop befindet sich auf dem Dach des Gebäudes NA in einer für Radiowellen durchsichtigen Kuppel, die das Teleskop, seine Elektronik und nicht zuletzt Sie selbst vor Wind und Wetter schützt. Der Durchmesser der Reflektorschüssel, die von einer alten Richtfunkstrecke stammt, beträgt 3 m; ist verglichen mit den "großen" Observatorien der Welt also sehr klein. Da die Winkelauflösung eines optischen Instruments  durch <math>A\,\propto\,\lambda/D</math> ist, wobei $\lambda$ die beobachtete Wellenlänge und D den Durchmesser der Apertur bezeichnet, ist die minimal mögliche räumliche Auflösung recht groß. Dies bringt allerdings auch einen Vorteil mit sich, denn der Beam (also der Bereich, in dem das Teleskop auf einmal Daten sammelt) ist mit $4^\circ$ ebenfalls sehr groß, sodass geringe Fehler beim Pointing oder der Nachführung nicht ins Gewicht fallen.
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Von Dunkler Materie hat wohl Jeder schon einmal etwas gehört. Versteckt, geheimnisvoll, eben völlig dunkel soll sie unser Universum erfüllen und dort für einen großen Teil der Gravitation sorgen. Ohne sie wäre es überhaupt nicht so schnell zur Bildung von Sternen, Galaxien und Haufen gekommen, sodass wir alle heute nicht existieren würden, sagen uns die Kosmologen. Nicht so glücklich mit ihr sind hingegen die Teilchenphysiker, deren größte Aufgabe es zur Zeit ist, ihr endlich das dunkle zu nehmen und ein Elementarteilchen zu präsentieren, aus dem sie besteht.
  
Die spektrale Auflösung beträgt 37.5\,kHz, was einer Doppler-Geschwindigkeit von ca. 6\,km/s entspricht. Mit seinem 2\,MHz Detektor kann so ein Geschwindigkeitsbereich von nahezu 500\,km/s abgedeckt werden.
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Fest steht nur (mit nahezu absoluter Sicherheit), dass es Dunkle Materie wirklich gibt. Dafür sprechen zahlreiche Messungen und auch theoretische überlegungen zur Dunklen Materie vor allem im frühen Universum. Doch was sind das für Messungen? Kann man sie überhaupt nachvollziehen, sodass sich jeder (mit ''relativ'' gerigem Aufwand) von den Ergebnissen überzeugen kann? Diese Fragen sollen mit diesem Versuch zumindest teilweise geklärt werden, indem genau die Messung nachempfunden wird, die zum Postulieren von Dunkler Materie geführt hat: Die Vermessung der Rotationsgeschwindigkeit(en) von Galaxien.  
  
Ebenfalls ein Vorteil der geringen Größe ist die Schnelligkeit der Positionierung. Diese geschieht durch zwei Schrittmotoren, die das Teleskop mit bis zu $6\,^{\circ}/s$ bewegen können. Dadurch ergibt sich die sehr geringe Zenitblindheit (Als Zenitblindheit wird ein Fehler im Nachführungsalgorithmus horizontal montierter Teleskope bezeichnet. Dieser sorgt dafür, dass im Moment des Zenitdurchgangs eines Objekts, auf das gerade getrackt wird, die Nachführungsgeschwindigkeit unendlich groß wird.) von unter einem Grad. Da durch die geringe Sammelfläche des Teleskops längere Integrationszeiten notwendig sein könnten, ist dies recht praktisch.
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Die erste Galaxie, die es sich lohnt, zu untersuchen, ist natürlich  unsere eigene, die Milchstraße. Darüber hinaus bietet sie sich auch an, weil wir uns direkt in ihr befinden, ihre Strahlung sollte also die stärkste und damit leicht zu beobachten sein. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist jedoch auch bei externen Galaxien nicht anders, jedoch muss hier erheblich mehr Aufwand getrieben werden.  
  
Gesteuert werden sowohl das Teleskop selbst als der Spektrograph, welcher die ankommende Strahlung misst, mit einem Laptop, an den beide Geräte über eine serielle Schnittstelle angebunden werden. Die Steuerungssoftware \emph{ARCS} (AIRUB Radiotelescope Control Software), die eigens zum Betrieb dieses Teleskops programmiert wurde und im Folgenden erklärt wird, stellt alle wichtigen Bedienmöglichkeiten in einer grafischen Benutzungsoberfläche zur Verfügung. Sie sind ausdrücklich dazu eingeladen, alle Befehle einmal auszuprobieren, um einen Eindruck von der Arbeit mit einem computergesteuerten Teleskop zu bekommen. Dabei sind selbstverständlich entsprechende Sicherungsmechanismen aktiv, die eine mechanische Beschädiung des Teleskops vermeiden sollen, da die Motoren eine enorme Kraft aufbringen können. Daher sollten Sie stets aufpassen, wohin sich das Teleskop gerade bewegt, insbesondere bei neuen Positionierungen, denn die Kuppel ist nicht sehr geräumig.
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Bleibt nur noch die Frage, welche Art von Strahlung sich am besten zur Ableitung einer Rotationskurve (Rotationsgeschwindigkeit aufgetragen gegen die Entfernung vom galaktischen Zentrum) eignet. Sie müsste idealer Weise über die gesamte Ausdehnung der Milchstraße sichtbar sein, sodass von jedem Ort Daten erhoben werden können. Messungen im optischen Wellenlängenbereich scheiden also schon einmal aus, genau so wie noch kurzwelligere Strahlung. Doch die Natur meint es gut mit den Astronomen, denn sie hat das ideale Werkzeug für unsere Anforderungen bereit gestellt: die 21 cm Strahlung von neutralem Wasserstoff, auch H I genannt.  
  
Die Steuerungssoftware \emph{ARCS} ist dabei so angelegt, dass sie intuitiv zu bedienen ist. Dazu ist die Programmoberfläche in sechs große Bereiche unterteilt, die bereits angeben, wozu die enthaltenen Steuerbefehle dienen. Zwei Bereiche sind dabei für die Kommunikation über die serielle Schnittstelle zuständig, \emph{Serial Port: "`Motor-Controller"'} und \emph{Serial Port: "`Detector"'}. Hier wird der gesamte Datenverkehr an den Schnittstellen angezeigt, es können händisch Kommandos gesendet werden und auch die Schnittstellenparamter sind einstellbar. Der Bereich \emph{Motor-Controller} enthält Schaltflächen, um die Motoren direkt anzusprechen, vor allem aber den wichtigen STOP-Button. Aus dem Bereich \emph{Telescope} sind vor allem die beiden Buttons \emph{INITIATE} und \emph{park} wichtig, die zur Inbetriebnahme bzw. zum Abschalten gebraucht werden. Aber auch die Zeitanzeige ist hilfreich. Unverzichtbar für die Beobachtung ist der Bereich \emph{Positioning}, der die Eingabe von horizontalen, äquatorialen und galaktischen Koordinaten zur Positionierung erlaubt und die Nachführung steuert. Für die Auswertung der Daten ist der Bereich \emph{Detector} zuständig, der den Spektrographen steuert und eine Vorschau des gewonnenen Spektrums anzeigt.
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'''Warum ist gerade diese 21 cm Strahlung für unsere Beobachtung so geeignet im Vergleich zu anderen Wellenlängen und wodurch ``erkaufen'' wir uns diese Eigenschaft?'''
  
Eine übersicht über die grafische Oberfläche von \emph{ARCS} ist in Abb. \ref{GUI} zu sehen.
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Mittels dieser Strahlung, die offensichtlich im Radiobereich liegt, ist es möglich, sehr genaue Geschwindigkeitsprofile zu erstellen, die dann mit theoretisch berechneten Rotationskurven mit verschiedener zugrunde liegender Massenverteilung verglichen werden können, wodurch eine Bestimmung der Massenverteilung in unserer Galaxie möglich ist. Da diese Massenverteilung nicht den klassischen Erwartungen entspricht (wie Sie zum Ende des Versuchs sehen werden), sondern zu viel Masse in den äußeren Regionen der galktischen Scheibe anzeigt, die nicht durch Sterne oder andere ``herkömmliche'' Objekte
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verursacht werden kann, wäre eine neue, nicht leuchtende Form von Materie eine gute Annahme zur Erklärung des Rotationsverlaufes.
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'''Informieren Sie sich über die (bisher bekannten) Eigenschaften der Dunklen Materie, beispielsweise im Carroll & Ostlie oder [http://arxiv.org/abs/1001.0316 hier].'''

Version vom 22. März 2012, 15:22 Uhr

Abstract zu Versuch 601: Die Existenz Dunkler Materie gilt als eines der großen Rätsel moderner Astronomie und Physik. Diese seltsame Form von Materie macht sich ausschließlich durch ihre gravitative Wechselwirkung bemerkbar und entzieht sich bislang der direkten Beobachtung mit konventionellen Teleskopen oder in Beschleuniger-Experimenten. Ihre gravitative Wechselwirkung ist jedoch erstaunlich einfach zu beobachten, was in diesem Versuch, der im Übrigen genau so vor ca. 40 Jahren zum Postulat Dunkler Materie geführt hat, geschehen soll. Mit dem 3m-Radioteleskop des Astronomischen Instituts auf dem Dach des NA-Gebäudes kann der Hyperfeinstruktur-Übergang des neutralen Wasserstoffs in der Milchstraße gemessen und aus dessen Verteilung auf fehlende - daher "dunkle" - Materie geschlossen werden, die nötig ist, um die Beobachtungen zu erklären. Im Versuch werden die folgenden Aspekte angegangen:

  • Umgang mit einem motorisierten und computergesteuerten Teleskop
  • charakteristische Größen eines Teleskops (Empfindlichkeit, Auflösungsvermögen)
  • Planung und Durchführung eines geeigneten Messprogramms
  • stat. Datenauswertung

WICHTIG: Vor der Buchung dieses Versuchs sollte unbedingt eine Terminabsprache per Mail erfolgen (zinn@astro.rub.de), da die Milchstraße zum gewünschten Termin schließlich auch hoch am Himmel stehen muss.

Einleitung

Von Dunkler Materie hat wohl Jeder schon einmal etwas gehört. Versteckt, geheimnisvoll, eben völlig dunkel soll sie unser Universum erfüllen und dort für einen großen Teil der Gravitation sorgen. Ohne sie wäre es überhaupt nicht so schnell zur Bildung von Sternen, Galaxien und Haufen gekommen, sodass wir alle heute nicht existieren würden, sagen uns die Kosmologen. Nicht so glücklich mit ihr sind hingegen die Teilchenphysiker, deren größte Aufgabe es zur Zeit ist, ihr endlich das dunkle zu nehmen und ein Elementarteilchen zu präsentieren, aus dem sie besteht.

Fest steht nur (mit nahezu absoluter Sicherheit), dass es Dunkle Materie wirklich gibt. Dafür sprechen zahlreiche Messungen und auch theoretische überlegungen zur Dunklen Materie vor allem im frühen Universum. Doch was sind das für Messungen? Kann man sie überhaupt nachvollziehen, sodass sich jeder (mit relativ gerigem Aufwand) von den Ergebnissen überzeugen kann? Diese Fragen sollen mit diesem Versuch zumindest teilweise geklärt werden, indem genau die Messung nachempfunden wird, die zum Postulieren von Dunkler Materie geführt hat: Die Vermessung der Rotationsgeschwindigkeit(en) von Galaxien.

Die erste Galaxie, die es sich lohnt, zu untersuchen, ist natürlich unsere eigene, die Milchstraße. Darüber hinaus bietet sie sich auch an, weil wir uns direkt in ihr befinden, ihre Strahlung sollte also die stärkste und damit leicht zu beobachten sein. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist jedoch auch bei externen Galaxien nicht anders, jedoch muss hier erheblich mehr Aufwand getrieben werden.

Bleibt nur noch die Frage, welche Art von Strahlung sich am besten zur Ableitung einer Rotationskurve (Rotationsgeschwindigkeit aufgetragen gegen die Entfernung vom galaktischen Zentrum) eignet. Sie müsste idealer Weise über die gesamte Ausdehnung der Milchstraße sichtbar sein, sodass von jedem Ort Daten erhoben werden können. Messungen im optischen Wellenlängenbereich scheiden also schon einmal aus, genau so wie noch kurzwelligere Strahlung. Doch die Natur meint es gut mit den Astronomen, denn sie hat das ideale Werkzeug für unsere Anforderungen bereit gestellt: die 21 cm Strahlung von neutralem Wasserstoff, auch H I genannt.

Warum ist gerade diese 21 cm Strahlung für unsere Beobachtung so geeignet im Vergleich zu anderen Wellenlängen und wodurch ``erkaufen wir uns diese Eigenschaft?

Mittels dieser Strahlung, die offensichtlich im Radiobereich liegt, ist es möglich, sehr genaue Geschwindigkeitsprofile zu erstellen, die dann mit theoretisch berechneten Rotationskurven mit verschiedener zugrunde liegender Massenverteilung verglichen werden können, wodurch eine Bestimmung der Massenverteilung in unserer Galaxie möglich ist. Da diese Massenverteilung nicht den klassischen Erwartungen entspricht (wie Sie zum Ende des Versuchs sehen werden), sondern zu viel Masse in den äußeren Regionen der galktischen Scheibe anzeigt, die nicht durch Sterne oder andere ``herkömmliche Objekte verursacht werden kann, wäre eine neue, nicht leuchtende Form von Materie eine gute Annahme zur Erklärung des Rotationsverlaufes.

Informieren Sie sich über die (bisher bekannten) Eigenschaften der Dunklen Materie, beispielsweise im Carroll & Ostlie oder hier.